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Mädchen türmt nach Inobhutnahme aus Kinderheim Streit um 13-Jährige spitzt sich weiter zu

„Entführt“. So ist ein Video überschrieben, das seit Mittwoch auf diversen Portalen im Internet kursiert. Der Film zeigt die 13-jährige Antonya aus Worpswede mit ihren Eltern, die in einem Interview schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt und das Familiengericht in Osterholz-Scharmbeck erheben. Für sie kommt es einer „Entführung“ gleich, dass das Mädchen von ihnen getrennt und in einem Kinderheim in Visselhövede untergebracht wurde. Der Landkreis weist die Anschuldigungen als haltlos zurück.
31.08.2013, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Lutz Rode

„Entführt“. So ist ein Video überschrieben, das seit Mittwoch auf diversen Portalen im Internet kursiert. Der Film zeigt die 13-jährige Antonya aus Worpswede mit ihren Eltern, die in einem Interview schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt und das Familiengericht in Osterholz-Scharmbeck erheben. Für sie kommt es einer „Entführung“ gleich, dass das Mädchen von ihnen getrennt und in einem Kinderheim in Visselhövede untergebracht wurde. Der Landkreis weist die Anschuldigungen als haltlos zurück.

Der Konflikt mit dem Landkreis und den Gerichten läuft schon seit Monaten. Im Januar war die 13-jährige Antonya auf Beschluss des Amtsgerichts vom Jugendamt in Obhut genommen worden. Die Richterin war zu dem Schluss gekommen, dass das Kindeswohl des Mädchens in Gefahr ist. Die Eltern wehrten sich erfolglos gegen die Trennung von ihrer Tochter. In dieser Woche spitzte sich die Lage dann zu: Das Mädchen verschwand am Dienstag aus dem Kinderheim in Visselhövede, in dem sie seit Jahresanfang lebte. Am Tag danach tauchte im Internet ein Video auf, das die 13-Jährige mit ihren Eltern in einem Interview zeigt. Antonya ist seither verschwunden. Die Polizei sucht nach ihr.

Mit dem Gang an die Öffentlichkeit wollen die Eltern offenbar Druck machen, dass ihr Kind wieder zu ihnen zurückkehren kann. Auf juristischem Wege haben sie bislang nichts erreicht. Der Versuch, die Inobhutnahme und die ebenfalls verhängte Kontaktsperre rückgängig zu machen, scheiterte. Der Streit ist noch nicht zu Ende: Das Hauptverfahren zur Sorgerechtsfrage läuft noch, heißt es.

Die Situation in der Familie beschäftigt seit Jahren verschiedene Jugendämter. Dort war man aufmerksam geworden, weil das Kind wegen häufiger Wohnortwechsel acht verschiedene Grundschulen besuchte und hohe Fehlzeiten von mehreren Wochen hatte. Die Behörden stellten auch fest, dass dem Kind jegliche soziale Kontakte außerhalb der Familie fehlen, es nicht an gemeinschaftlichen Unternehmungen der Schule teilnehmen durfte und es auch regelmäßig vom Sport- und Schwimmunterricht abgemeldet wurde. Auch gab es den Verdacht der innerfamiliären Gewalt, der nach Darstellung des Landkreises bisher auch nicht ausgeräumt ist. Das Jugendamt wirft den Eltern vor, sich seit langem einer Kooperation mit der Behörde und dem Familiengericht zu verweigern. Zuletzt hätten die Eltern ein Gespräch darüber abgebrochen, wie ein begleiteter Umgang nach dem Ende des Kontaktverbots aussehen könne.

Die Eltern wiesen die Beschuldigungen stets zurück – die häufigen Umzüge seien beruflich bedingt gewesen. Ein Großteil der Vorwürfe würden auf den Aussagen der Halbschwester des Mädchens beruhen. Beweise habe es nie gegeben. Die Eltern sprechen von einem Racheakt dafür, dass man sich im Streit getrennt habe. Der vom Jugendamt vorgeschlagene Kontrakt über den begleiteten Umgang mit ihrer Tochter nach dem Ende des Kontaktsperre sei inakzeptabel gewesen. Den Glauben an den Rechtsstaat habe er längst verloren, sagt der Vater.

In dem 30-minütigen Internet-Video stellt die Familie ihre Sicht der Dinge dar. Die 13-jährige Antonya betont darin, dass sie sich im Kinderheim wie im Knast gefühlt habe und nicht zurückkehren wolle. Auch zu den Umständen ihres Verschwindens äußert sie sich: Demnach sei sie aus Furcht davor, dass ein von ihr erstelltes Video im Internet entdeckt werden könne, aus der Einrichtung abgehauen. Sie sei mit dem Zug von Rotenburg nach Bremen und weiter nach Worpswede gefahren. In der Kreisbehörde zweifelt man daran, dass das Mädchen in eigener Regie gehandelt hat. Dort betrachtet man das Video mit Sorge: „Das derzeitige Verhalten der Eltern, mit ihrem Kind im Rahmen von Interviews aufzutreten, wird als hochgradig problematisch und verantwortungslos eingestuft“, sagt Landkreis-Sprecher Marco Prietz. Das Kind werde so zu einer öffentlichen Person und von teils höchst problematischen Internetportalen als Beleg für einen vermeintlichen Unrechtsstaat instrumentalisiert. „Dieses ist dem Kindeswohl sicherlich nicht förderlich. Zudem verstoßen die Eltern eindeutig gegen die Kontaktsperre.“

Beim Landkreis geht man nicht davon aus, dass das Mädchen derzeit allein unterwegs ist. Die Behörde vermutet, dass die Eltern dem Mädchen helfen. Dies sei strafrechtlich relevant und trage Züge einer Kindesentführung, weil den Eltern vom Gericht das Recht abgesprochen worden sei, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Die Polizei sei aufgrund einer Anzeige auf der Suche nach dem Kind.

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